Jeder von uns konsumiert Informationen. Nur wenige Menschen produzieren Informationen für die breite Öffentlichkeit und gestalten damit die Wahrnehmung von Milliarden über Realität, Wahrheit und Relevanz. Was nicht in den Nachrichten kam, ist nie geschehen. Was oft genug wiederholt wird, muss die Wahrheit sein. Was selten erzählt wird, ist ohne Bedeutung. Medienkritik ist so alt wie die Medien. Nur eine Lösung gab es nie. Jetzt gibt es immerhin einen Ansatz.
Eine Idee geht um in Europa und sie hat ihre realen Vorbilder in der ganzen Welt. Empowerment. „Mach‘ doch das Radio aus!“ sagen sie in Buenos Aires beim Sender Radio La Tribu, „Mach‘ doch dein eigenes Radio.“ In der Bundesrepublik können wir schlussfolgern: „Klick Spiegel-Online weg; Geh‘ besser selbst online.“ Doch so einfach ist es kaum. Mediales Empowerment bedeutet mehr als den eigenen Webspace mit isolierten Gedanken vollzustopfen. Es bedeutet die Selbstermächtigung von Gruppen von Menschen zur Erlangung, Aufbereitung und Verbreitung von Informationen in einer Qualität, die den sogenannten professionellen Medien nicht länger nachstehen muss.
Empowerment weist den Weg zu einer Berichterstattung von unten, die all die wichtigen Geschichten erzählt, die es ohne Empowerment nicht nach oben schaffen würde. Die Geschichte der Rentnerin, die aus ihrer Wohnung herausgentrifiziert wird. Die Geschichte des alternativen Projektes, das nach Energieautarkie strebt. Die Geschichte einer Schule, in der anders gelehrt und gelernt wird. Die Geschichte einer linken Stadtregierung, die vieles besser machen will aber von den lokalen Medien gelitten ist. Die Geschichte eines alternierenden Lebens- und Moralkonzeptes, das es lohnt, gelebt zu werden. Die Geschichte von vielen zehntausenden Menschen, die in Madrid gegen die Politik der Bankenrettung demonstrieren und in der Tagesschau dennoch nicht vorkommen. Nur wenn all diese Art von Geschichten erzählt werden, dann sind sie öffentlich. Dann können sie überhaupt erst zur Grundlage werden für einen demokratischen Diskurs und einen politischen Druck für Veränderung.
Werden diese Geschichten nicht erzählt, dann sind sie nicht passiert. Werden sie erzählt, dann verändert sich nicht nur die Wahrnehmung der Öffentlichkeit. Es verändert sich auch die Öffentlichkeit selbst. Denn mediales Empowerment verwandelt die Menschen. Es verwandelt die Empfängerinnen von Informationen zu Informationsproduzentinnen. Empowerment löst die übliche und lang gewohnte Rollenverteilung auf, nach der die Wenigen für die Vielen Medien machen. Nun sind es die Vielen, die für die Vielen berichten. Schon Brecht träumte von einem Rückkanal für das Radio. Der Traum einer echten informationellen Öffentlichkeit ist so alt wie die Massenmedien und der Traum wurde oft enttäuscht.
Doch es gibt Grund zu der Annahme, das es diesmal tatsächlich anders kommt. Dieser Optimismus speist sich nicht aus der Hoffnung, die zuletzt stirbt. Er speist sich aus dem Faktischen. Der Optimismus entstammt einer Realität, die sich tiefgreifend wandelt und deren Veränderung noch immer nicht abgeschlossen ist. Die digitale Revolution bringt die Produktionsmittel mit sich, um den alten Traum einer demokratischen Medienwelt endlich in die Tat umzusetzen. Denn die Digitalisierung der Lebenswelten hat die Kosten für die Aufzeichnung, Verarbeitung und Verbreitung von Informationen signifikant geschrumpft. Alles Kostbare und Unbezahlbare, das noch vor wenigen Jahren ein Fernseh- oder Radiostudio füllte, erhält der Mensch heute als gewöhnliche Konsumartikel im Elektronikmarkt um die Ecke. Nur den entscheidenden Perspektivenwechsel muss sich der Mensch selbst abringen. Was genau sind sie für mich: diese Kameras, Audiorecorder, Bildschirme, Computer und Onlinezugänge? Handelt es sich um Objekte des Konsum von Informationen oder handelt es sich um Mittel der Produktion von Öffentlichkeit?
Empowerment bedeutet eine Entscheidung. Es ist die Entscheidung für die Produktion. Bei dieser Entscheidung wollen wir mithelfen. Wir bringen euch bei, wie ihr auf hohem Niveau Film und Ton konzipiert, dreht, schneidet, nachbearbeitet. Wir zeigen euch, wie ihr Radiobeiträge erstellt und warum eine anspruchsvolle Fotografie erfordert, die Automatik an der Kamera auszustellen und wie es danach weitergeht. Wir helfen euch, eure Geschichte, die eurer Gruppe, deren Ideen und Visionen in die öffentliche Wahrnehmung zu tragen. Und nichts davon haben wir uns ausgedacht oder erfunden. Das Empowerment beginnt immer gleich. Ein Mensch, der etwas kann, weil es von einem anderen Menschen lernte, gibt sein Wissen weiter, der es weiter gibt und weiter und weiter, bis ihr es eines Tages anderen weitergebt. Und natürlich: Wir lernen von euch auch! Schreibt uns: workshops@kameradisten.info
Wir vermitteln unser Wissen in der ganzen Bandbreite von Medienkritik, zum Umgang mit Medien, über das Filmemachen, die Anfertigung von Radiobeiträgen bis hin zur dokumentarischen Fotografie. Es gibt Langzeitmodule, Seminare, Workshops und Crashkurse, in denen wir vor allem immer genau das vermitteln, was vor Ort gewünscht und gebraucht wird.
Wir senden euch auf Anfrage unsere Konzeptionen als Crashkurs, Wochenendworkshop oder Wochenmodul zu. „Wieder nix passiert?“ vermittelt einen medienkritischen Blick und Tools für saubere Nahtstellen im praktischen Umgang mit Mainstreammedien und alternativen Medien. „Film ab“ transferiert die Grundlagen des Drehens, Schneidens und der Veröffentlichung von Filmen. „Handy Politics“ konzentriert sich dabei auf den Einsatz des eigenen Smartphones als Kamera. „Wimpernschläge“ richtet sich an Menschen, die den Schritt vom Knipsen zum Fotografieren wagen wollen und „Welle machen“ zeigt euch, wie ihr vom Audiomaterial zu einem Radiobeitrag gelangt. „Filmt und Findet euch“ ist ein Seminar, dass so schwer zu beschreiben ist, das wir gleich eine längere Beschreibung geschrieben haben.
Schreibt uns, wenn ihr Interesse habt oder ihr schaut mal in die Liste der aktuell laufenden Seminare und meldet euch an, wenn etwas dabei ist, was euren Hunger stillen kann.